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Pfingstfahrt nach Neuwerk

Nachdem die Pfingstfahrt an die Aller coronabedingt abgesagt wurde, die Sonne aber trotzdem schien, haben wir (Marianne, Jörg und ich) nach einer Alternative gesucht, das lange Wochenende paddelnderweise zu verbringen – idealerweise mit Zeltübernachtung. Pünktlich zum meteorologischen Sommeranfang hat die Stadt Hamburg das Übernachten auf der Insel Neuwerk wieder erlaubt. Zusammen mit einer befreundeten Paddlerin aus Bremen fassten wir also ins Auge, drei Tage auf der Nordsee zu verbringen. Die Tage vor Pfingsten vergingen damit, täglich den Wetterbericht zu studieren und zu überlegen, welche Route nach Neuwerk bei den gegebenen Wetter- und Gezeitenbedingungen die beste wäre. Am Donnerstag war die Entscheidung dann gefallen: Start und Ziel in Cuxhaven in der Grimmershörnbucht und Ansteuerung über die Außenelbe von Norden. Gesagt - getan.

Also trafen wir uns Samstagmorgen direkt an der Elbmündung und verstauten Gepäck und Lebensmittel in den Booten. Da wir auf Neuwerk auf dem Campingplatz nächtigen wollten und somit kein Wasser für drei Tage mitnehmen mussten, ließen sich die Boote vergleichsweise leicht packen – auch wenn es unabdingbar war, dass der Bootswagen seinen Platz im Kajak findet. Ein kurzer Weg über den Deich vom Parkplatz zum Einstieg und schon hatten unsere Kajaks Salzwasser unter dem Kiel. Der ablaufende Ebbstrom trieb uns flott voran, so dass wir die Kugelbake schnell hinter uns ließen. Wind wehte so gut wie keiner und wir paddelten auf einer sehr ruhigen Nordsee mit einigen kleineren Kabbelungen am Leitdamm entlang zum Mittelgrund. Diese erste Sandbank ließen wir links liegen und hielten weiter westwärts auf die freie Nordsee zu. Zumindest sah es für uns bei Mittelwasser nach freier Nordsee aus, auch wenn die Seekarte uns verriet, dass zu unserer Linken der Steilsand die Einfahrt zum Stickers Gatt und zum Weser-Elbe-Wattfahrwasser trennt. Türme und Tonnen wiesen uns den richtigen Weg und nach knapp zweieinhalb Stunden erreichten wir die gelben Fasstonnen der Neuwerker Reede.

Die Tide lief noch fröhlich ab, so dass wir auf dem Kleinen Vogelsand außerhalb der Nationalpark-Schutzzone unsere Kajaks auf den Sand steuerten und zu einer ausgiebigen Mittagspause anlandeten. Unseren Landeplatz wählten wir direkt am Eingang zum Neuwerker Nordpriel, so dass wir anhand der in der Strömung liegenden Tonnen sehen konnten, wann der Tidenstrom begann, prieleinwärts zu laufen. Auf der anderen Seite des Fahrwassers hatte eine große Gruppe Seehunde eine Sandbank in Beschlag genommen und ließ es sich in der Sonne gut gehen – ganz genauso wie wir.

Pfingsten Neuwerk 2020

Nach gut einer Stunde zeigte die Tonne an, dass die Strömung die Richtung gewechselt hatte und jetzt in Richtung Neuwerk floss. Also auf in die Kajaks und den Bug fröhlich in Richtung Insel gewendet. Begleitet von neugierigen Seehunden ging der erste Kilometer gut voran.

Pfingsten Neuwerk 2020

Dann wurde das Wasser immer flacher – der Nordostwind sorgte dafür, dass die Wasserstände in der Deutschen Bucht generell ziemlich niedrig blieben. Irgendwann wurde es dann zu flach zum Paddeln – und zu allem Überfluss lief uns die Strömung jetzt auch unerwarteter Weise entgegen! Scheinbar bewässerte der Priel bei diesem Wasserstand von Süden statt von Norden. Es nützte nichts, die Wahl war warten oder treideln. Da wir schon eine ganze Weile auf der Sandbank gewartet hatten, entschieden wir uns fürs Treideln. Und so zogen wir unsere Boote durch seichtes klares Wasser gen Neuwerk.

Für Möwen und Seeschwalben war das bestimmt ein sehr lustiger Anblick. In der Nähe des Radarturms fanden wir einen Übergang auf das Deichvorland und schnallten unsere Kajaks auf die Bootswagen. Ungefähr einen Kilometer später erreichten wir unsere Unterkunft am Norddeich von Neuwerk, wo wir nach Aufbau der Zelte beschlossen, die Insel noch ein bisschen ‚per Pedes‘ zu erkunden.

Am nächsten Morgen waren Tide und Wind günstig für die für diesen Tag geplante Unternehmung: eine Umrundung von Scharhörn. Da Zelte und Gepäck auf Neuwerk blieben, waren die Boote auf den Bootswagen deutlich leichter und die Portage zum Einstieg ging leicht von der Hand. Mit ablaufendem Strom verließen wir den Schiffsanleger auf Neuwerk mit Kompasskurs Süd, um entlang von Sandbänken mit so wohlklingenden Namen wie „Muschelbänke“ und „Schafsand“ das südliche Ende des Scharhörnwatts zu erreichen. Das Fahrwasser in der Südansteuerung auf Neuwerk ist gut durch zahlreiche Priggen markiert – was auch mit unseren flachen Kajaks ein großes Glück war, denn über den knapp überspülten Bänken war das Wasser oft nur wenige Zentimeter tief. Dafür wurden wir mit dem Blick auf den Wattgrund durch kristallklares Nordseewasser belohnt. Vorbei an den üblichen Seehunden, Seeschwalben und Enten- und Gänsegruppen ging es gemütlich dahin. Erst im Nordertill nahm der Tidenstrom so richtig Fahrt auf und trieb uns am Oberen und Unteren Wittsand entlang.

Pfingsten Neuwerk 2020

Zwischenzeitlich sorgte eine vor uns auftauchende, hellsandig leuchtende Sandbank für etwas Verwirrung, da in der nagelneuen Seekarte in diesem Bereich kein bei Flut trocken bleibender Sand verzeichnet war. Aber so ist das im Watt: Sturmfluten – von denen es zu Jahresbeginn ja einige gab – und windabhängiger Flutwasserstand können schon mal für Sände sorgen, wo man sie nicht erwartet. Und so ist der Nordwestteil der Hohenhörnsände wohl mittlerweile etwas höher geworden, als in der Karte verzeichnet.

Wir haben unseren Weg trotz dieser kurzen Verwirrung gut gefunden und waren bald schon am Westende des Scharhörnwatts angelangt. Von hier aus gesehen heißt das nächste feste Land in Richtung Westen England! Unser Ziel war (natürlich!) uns an die Schutzzonen des Nationalparks zu halten und unsere Mittagsrast am Trittstein auf dem westlichen Scharhörnwatt zu halten. Also peilten wir die Ausrichtung der „Küstenlinie“ und suchten nach dem entscheidenden „Kap“ im Watt, ab wo die Uferlinie sich über Norden wieder in östliche Richtung wandte. Ab hier waren wir außerhalb der Schutzzone und landeten an.

Um uns herum war nichts als Nordsee und Sand. Wie tags zuvor gab auch hier wieder die Uhr und der Gezeitenwechsel die Pausenlänge vor und wir hatten ausgiebig Zeit, „unsere“ Sandbank zu erkunden. Wobei Sandbank eine leichte Untertreibung ist für eine Sandfläche, die sich ohne Unterbrechung ungefähr drei Seemeilen bis zur Düne von Scharhörn erstreckt. Der Wind hatte mittlerweile auf Nord gedreht und deutlich zugenommen, so dass unser Weg nach der Pause erstmal gegen vier Windstärken gegenan ging. Dafür warteten am Nordufer des Scharhörnwatts schöne Wellen, in denen sich gut spielen ließ. Wir waren ja schließlich auch zum Vergnügen da!

Pfingsten Neuwerk 2020

In der Karte sind Scharhörn und Nigehörn als zusammenhängende aber relativ kleine Insel eingezeichnet. Bei Niedrig(st)wasser handelt es sich jedoch eher um zwei bewachsene Dünen auf einer riesigen Sandfläche. Mit seitlichem Wind paddelten wir ostwärts bis wir Scharhörn querab hatten. Da das gesamte Watt um Scharhörn herum ganzjährig Vogel- und Robbenschutzgebiet ist, war klar, dass wir die Insel nur vom Kajak aus an der Wattkante anschauen konnten. Nach gut fünfeinhalb Stunden waren wir wieder am Eingang zum Elbe-Neuwerk-Fahrwasser –aufgrund der Tide und der Tourlänge mit deutlich mehr Wasser als am Vortag. Unter den wachsamen Augen der allgegenwärtigen Seehunde steuerten wir abermals von Norden kommend auf den Schiffsanleger von Neuwerk zu und belohnten uns nach einem weiteren tollen Paddeltag mit einem guten Essen vom Gas- bzw. Spirituskocher. Außerdem stand noch ein weiteres Highlight der Tour an: die Taufe von „Ralle“, Jörgs neuem Boot! Auch diese wurde standesgemäß mit Schaumwein zelebriert.

Pfingsten Neuwerk 2020

Der letzte Tag stand ganz im Zeichen der Rückfahrt nach Cuxhaven. Der Tidengott meinte es gut mit uns und wir mussten erst mittags die Insel verlassen, um „unsere Tide“ zu erwischen. Also hatten wir morgens ausreichend Zeit für ein ausgiebiges Frühstück, zum Abbau der Zelte und Packen der Boote und zum Aufbruch zum Schiffsanleger. Die Sonne schien dabei ohne Unterlass. Nachdem wir noch ein bisschen Zeit am Strand verbracht hatten und (zumindest einige von uns) die Badequalität des Neuwerker Nordseewassers getestet hatten, beschlossen wir das noch vorhandene Wasser zu nutzen und die restliche Wartezeit auf der Sandbank am Außenelbe-Fahrwasser zu verbringen. Mit Tidenstrom von hinten gelangten wir recht schnell dort an und fanden schnell einen guten Platz zum Anlanden, wo wir bei Ebbe keinen weiten Weg zum Wasser haben würden. Die zwei Stunden Zeit auf der Sandbank verbrachten wir damit Seehunde zu gucken, Wattwanderer zu begrüßen, Studentenfutter zu essen und uns zu sonnen.

Die Wettervorhersage für die Rückfahrt hatte am Morgen von Wind der Stärke drei bis vier aus Ost gesprochen, der später etwas auffrischen sollte. Zu unserem Glück war die Vorhersage dieses Mal nicht allzu präzise und der anfängliche Wind der Stärke drei nahm noch weiter ab bis auf zwei Windstärken. Außerdem blieb der Wind freundlicherweise bei nordöstlicher Richtung, so dass er eher von der Seite als von vorne kam. In einem weiten Halbkreis um Neuwerk herum fuhren wir an Mittelgrund und Leitdamm vorbei auf die Kugelbake zu und erfreuten uns gelegentlicher Wellen und Stromkabbelungen. Zusammen mit einigen Schiffen im Fahrwasser passierten wir die Kugelbake und waren wieder auf der Elbe unterwegs. Gegen sieben Uhr hatten wir am Ostende der Grimmershörn dann wieder niedersächsisches Land unter den Füßen und freuten uns über eine herrliche Pfingstfahrt, die hinter uns lag.

Lars