Freunde von mir zogen kurz nach der Wiedervereinigung nach Mühlhausen an der Unstrut. Jedes Mal, wenn ich sie besuchte, dachte ich, wie schön es dort sei: leichte Hügel, viele Mischwälder. Die Unstrut schlängelte sich als relativ kleiner Bach durch die Landschaft und der Gedanke entstand, Thüringen einmal von der Wasserseite aus genauer kennenzulernen. Daher war ich sehr froh, als im DKV Sportprogramm eine Saale Wanderfahrt mit Unstrut angeboten wurde. Ausrichter war die Wassersport Vereinigung Cassel. Außer mir hatten sich 4 Kanuten außerhalb Kassels gemeldet und wir lernten uns und die Wanderwartinnen Swantje und Heike im Vorfeld in einer Videokonferenz kennen. Das Treffen dort war für mich ziemlich beruhigend. Zwar war ich immer noch die Älteste von uns, aber die anderen wirkten auch nicht ganz jugendlich. Vom Alter her sollte es daher schon einmal passen.
Glücklicherweise forschte ich den anderen Teilnehmern nicht weiter nach. Petra, die wie ich von außerhalb kam, durchlebte im Vorfeld größere Bedenken: Swantje hatte eine WhatsApp Gruppe eingerichtet, bei der im Normalfall nur die Telefonnummern auftauchten. Irgendwann fand sich der Name „Uli Fahlbusch“, den sie googelte. Zu ihrem Schrecken las sie, dass ein Europameister im Drachenbootrennen auch Teilnehmer der Fahrt sei, woraufhin sie sich ängstlich fragte, ob sie wohl mithalten könne. Um es gleich zu sagen: das Paddeln war sehr harmonisch. Ein Teilnehmer, Andreas, paddelte in seinem Kanadier. Er brach häufig vor uns auf, überraschte uns dann an diversen Stellen, an denen er uns filmte oder ein Eis überreichte.
Zunächst trafen sich die Wanderfahrer und einige andere Teilnehmer in Schönburg an der Saale. Der dortige DKV Platz bildete für die ersten vier Nächte unser Standquartier. Von dort aus paddelten wir auf der Unstrut. Gleich bei der ersten Fahrt bekam man eine Ahnung davon, dass man sich in einem Weinanbaugebiet befand: in Kirchscheidungen wohnte der Winzer Klaus Böhme, bei dem wir einkauften, aber auch im örtlichen Discounter wurden Weine aus der Region angeboten. Am nächsten Tag hatte ich das Gefühl, durch Frankreich zu paddeln: am Flussufer erhoben sich Weinhänge und die Sonne schien angenehm. Die Unstrut ist an dieser Stelle ein gemütlicher Wanderfluss. Burgen, Kirchturmspitzen oder kleine Orte sorgen für reichlich Abwechslung.
Abends wurde gemeinsam gekocht und gegessen. Am zweiten Abend gab es Grund zu einer Feier: Hilmar hatte an dem Tag das Globus–Abzeichen geschafft. Das Globus-Abzeichen ist eine ganz besondere Auszeichnung des DKV für Wasserwanderer, die mehr als 40.000 km gepaddelt haben. Am dritten Tag fuhren Petra und ich unsere Autos nach Halle um und besichtigten auf der Rückfahrt Naumburg. Die Stadt hat eine sehr sehenswerte Altstadt mit einem schönen Marktplatz. Der Naumburger Dom gehört sogar zum UNESCO Weltkulturerbe. Abgesehen von den schönen Stadteindrücken waren wir ganz froh, einen Tag nicht im Boot gesessen zu haben, denn die Strecken waren schon immer recht lang. So um die 30 km wurden täglich gepaddelt.
Am vierten Tag startete unsere Gepäckfahrt. Nun waren wir noch 12 Paddlerinnen und Paddler und Jürgen. Jürgen paddelt gesundheitsbedingt nicht mehr, begleitete uns aber per Wohnmobil und erledigte dankenswerterweise alle unsere Einkaufswünsche. Abends übernachteten wir in Bad Dürrenberg. Gleich gegenüber des DKV Platzes befindet sich das längste zusammenhänge Gradierwerk Deutschlands. Es steht im Kurpark, der außerdem einen ungeheuer attraktiven Spielplatz auch für Erwachsene vorweisen kann.
In den nächsten Tagen wurde das Paddeln immer anstrengender: die Saale hat viele Staustufen und bis nach Halle mussten wir fünfmal schleusen. Dabei zahlt man an der ersten Schleuse einmal 5 Euro und bekommt ein Papierarmband praktisch als Eintrittskarte, was man bei den anderen Schleusen nur noch vorzeigen muss. Das Gewässer steht praktisch. Eine unserer Teilnehmerinnen brach daher frühzeitig die Fahrt ab.
Unsere nächste Etappe war der Campingplatz Kloschwitz. Auf der Fahrt dorthin merkte man schon, dass die Gegend deutlich menschenleerer wurde: keine Kirchturmspitzen oder Orte mehr. Außer uns waren auch keine weiteren Boote unterwegs. Glücklicherweise war die Uferbepflanzung schön abwechslungsreich, wir wurden immer vertrauter miteinander, so dass die Kilometer sich dennoch nicht so zogen. Unsere letzte Etappe war das DKV Bootshaus in Bernburg. Der einsetzende Regen am letzten Tag, der auch die Nacht hindurch anhielt, machte uns den Abschied nicht ganz so schwer. Mit nassem Zelt, vielen neuen Eindrücken und gepaddelten 196 km ging es wieder nach Hause.