Gleich gegenüber unseres Kanuvereins, auf der anderen Elbseite, liegt die Elbinsel Drommel – ein Stück unberührte Natur mitten im Strom, dass sich wie ein Magnet für erfahrene Paddler anfühlt. Was uns trennt, ist nicht viel: die Fahrrinne der Elbe, der Gezeitenstrom, das Wetter und die Berufsschifffahrt. Doch wer diese Hürden meistert, erlebt ein Mikroabenteuer im ambitionierten Feierabendformat.
Gestartet wird direkt an der Treppe unseres Bootshauses an der Schwinge. Die Tour ist weitgehend gezeitenunabhängig - lediglich beim Ein- und Ausstieg sollte man darauf achten, dass genug Wasser in der Schwinge steht. Etwa eine Stunde vor und nach Niedrigwasser wird es sonst sehr schlickig. Die Infrastruktur am Verein ist ideal: Parkplätze sind ausreichend vorhanden, und bei gutem Wetter gibt es oft hilfreiche Tipps und einen netten Klönschnack von Vereinsmitgliedern.
Für die rund 17 Kilometer lange Runde sollte man etwa vier Stunden einplanen. Voraussetzung ist sicheres Paddeln bei Wellen - und das gilt auch bei vermeintlichem „Langnese-Wetter“. Ein geschottetes Boot oder Auftriebskörper sowie eine Schwimmweste sind Pflicht. Wer auf der Unterelbe unterwegs ist, muss sich unbedingt mit der Wettervorhersage und den Gezeiten beschäftigen. Eine verlässliche Quelle dafür ist Windfinder Stadersand
Nach dem Einstieg geht es flussabwärts zur Schwingemündung. Dort steht die erste Entscheidung an: Soll die Elbinsel Drommel südlich oder nördlich umrundet werden? Die Hauptüberlegung ist hier die Strömung der Elbe. Bei ablaufendem Wasser zieht sie Richtung Nordsee, also flussabwärts gen Norden. Bei auflaufendem Wasser strömt sie Richtung Hamburg, also flussaufwärts gen Süden. Ich persönlich bevorzuge den Start in nördlicher Richtung – das ist eher Bauchgefühl als wissenschaftlich fundiert.
An der Schwingemündung wird die Strömung der Elbe sofort spürbar. Die Querung des Fahrwassers sollte direkt und im rechten Winkel erfolgen. Achtung: Die Berufsschifffahrt hat immer Vorrang! Paddler müssen deutlich erkennbaren Abstand zu allen Schiffen halten und dürfen das Fahrwasser nur auf direktem Weg queren.
Ist die Querung geschafft, folgt man den roten Fahrwassertonnen bis zur Südspitze von Pagensand. Hier biegt man vom Hauptstrom auf die Pagensander Nebenelbe ab – ein idealer Ort zum Durchatmen nach der aufregenden Elbquerung. Die Landschaft ist hier spektakulär: Auf der Stader Seite ragen die Industrieanlagen von DOW Chemical in den Himmel, während auf der Dithmarscher Seite wilde Natur dominiert. In diesem Abschnitt werden oft Seeadler gesichtet, und Robben sind fast schon Stammgäste.
Sobald sich rechts die Möglichkeit bietet, biegt man auf die Haseldorfer Binnenelbe ab und paddelt gen Süden weiter. Die Binnenelbe bietet meist ausreichend Wassertiefe, doch bei stark ablaufendem Wasser empfiehlt es sich, das Fahrwasser zu suchen und sich in den Kurven eher außen zu halten. Dieser Abschnitt ist ruhig und geschützt - ideal, um die Natur in vollen Zügen zu genießen. Man gleitet gedankenverloren dahin, abgeschirmt von Wind, Wetter und dem Wellenschlag der Ozeanriesen auf dem Hauptstrom.
Auf Höhe des Haseldorfer Hafens biegt man wieder Richtung Elbe ab. Spätestens am ehemaligen Juelsander Leuchtfeuer wird man wieder mit dem Ernst des Paddlerlebens konfrontiert: Die Elbe öffnet sich breit, und je nach Wind und Wetter empfiehlt sich eine direkte Querung des Fahrwassers. Auf der anderen Seite wartet der Badestrand von Bassenfleth - ein letzter kleiner Stopp in exklusiver Lage, direkt neben dem ehemaligen AKW.
Von hier ist es nur noch ein kurzer Sprung zurück in die Schwingemündung. Ein letztes Mal Strömung, Wellen und Wetter im Gesicht – und das Seekajakabenteuer direkt vor unserer Haustür ist gemeistert.